Zeichnen braucht Zeit

Zeichnen braucht Zeit



Zeichnen braucht Zeit. Das ist ein Vorteil.

Ein Zeichenworkshop und ein Tag mit Antje Schiffers

Alle haben Erinnerungen an das Zeichnen, und es sind nicht immer Gute. Nicht jeder freut sich auf den Programmpunkt Zeichnen. Für manche ist es schwer, aus der Vorstellung zu zeichnen, andere erinnern sich an die Enttäuschung, wenn die Zeichnung nicht dem entspricht, was man will, oder nicht dem, was man sieht.

Plein-Air zwischen Heukewalde und Blankenhain, jede und jeder mit einem Klemmbrett, Bleistift und Papier. Kulturlandschaft, Wege, Schuppen, Oberleitungen, Windräder, Felder, Feldränder, Stoppelfelder, Gräben, Bäume. Von all dem, was wir vor Augen haben: Was soll auf die Zeichnung und was nicht? Sind die Stoppeln wichtig oder die Furchen oder beides? Will ich Raum, will ich Detail, will ich aufzählen, was da ist? Man entscheidet bei jeder Linie, man entscheidet, ohne es zu merken, man ist viel freier, als man denkt.

Wir werden selber zu einer malerischen Anordnung in der Landschaft. Hinter Jonaswalde, wo die Straße im Bergauf eine Kurve macht und der Feldweg abgeht, suchen wir uns Plätze. An der Böschung, am Grabenrand, auf einem Hochsitz, wir hocken als loser Haufen zusammen, jeder mit dem Blick in die Ferne. Die Blicke kreuzen sich irgendwo vor uns, wir gucken uns nicht an, wir konzentrieren uns.

Wir gefallen dem Radfahrer, der vorüberfährt. Sonst fährt hier kaum jemand, wir können auf den Straßen wandern, die Straßen sind für uns gemacht.

Am Ortsausgang von Nischwitz machen wir Rast. Ein idealer Platz. Wer will, kann auf der Friedhofsmauer sitzen oder davor, im Schatten oder in der Sonne. Wir organisieren zwei Friedhofsbänke und heben sie über die Mauer. Die Anwohnerin, die zum Gießen kommt, rügt uns nicht. Klemmbretter raus, Kühe zeichnen oder den Rhythmus der Leitungen, den Schuppen im Gegenlicht oder die Verkehrsschilder. Ich bin immer für Leitungen, Bertram für Schilder, die anderen sind offener.

Wir picknicken Schafskäse aus Linda, Dinkel- und Emmerbrote aus Linda, Würste aus Blankenhain, selbstgebrannten Schnaps und eingelegte grüne Walnüsse. Die Septembersonne brennt, eine Katze schnurrt.

 

Der Direktor des Landwirtschaftsmuseums in Blankenhain gibt uns eine Führung und beeindruckt uns durch seine leichtfüßige, humorvolle Performance. Ganz in Schwarz mit roter Lederkrawatte, das schwarze Haar zurückgekämmt, der Schnurrbart mexikanisch.

Er ist auch unser Gastgeber bei der Langen Nacht des Bauernfilms, einem Format, zu dem ich mein Archiv von Filmen über die Landwirtschaft öffne. Seit 2000 biete ich Bauern und Bäuerinnen in Europa Tauschgeschäfte an: ein Gemälde von ihrem Hof gegen einen Film über ihren Betrieb und ihre Arbeit, den sie filmen und kommentieren. Die Gemälde bleiben bei den Bauern, die Filme bilden das Archiv. Die Gäste des Abends stimmen ab, was sie sehen möchten; in Blankenhain sehen wir:

Davitkovi, Mustafino (Mazedonien)
Kreitmeyer, Großmugl (Niederösterreich)
Isusi, Sodupe (spanisches Baskenland)
Sallai, János, Nagykamarás (Ungarn)
Fordhall, Market Drayton (England)

Text von Antje Schiffers. Weitere Infos hier www.ichbingernebauer.eu
Zeichnungen unten von den Teilnehmenden und Antje Schiffers