Zu Beginn ein kleines Missverständnis. Eine Mitwanderin aus Oederan macht uns unterwegs darauf aufmerksam, dass das Dorf Kirchbach schon mehrfach als eines der schönsten Dörfer Deutschlands ausgezeichnet worden sei. Wir kommen am Ortsrand an, gehen dem Bach entlang, doch ich erkenne zunächst noch keinen Grund dafür, weshalb dieses Dorf eine Auszeichnung als eines der schönsten Dörfer des Landes erhalten haben könnte. Wir nähern uns einer Gruppe von etwa 30 bis 40 Personen, die auf und neben einer neuen Brücke stehen. Die Brücke über einen Bach wird heute eingeweiht. Wir werden herbeigerufen, wir sollen auch dabei sein. Und es stellt sich heraus, dass man von unserer Gruppe in der Zeitung gelesen hat und wusste, dass wir hier vorbei wandern würden. Bier, Orangensaft, Mineralwasser, Kuchen und Brötchen werden uns angeboten, wir dürfen mitfeiern. Es kommt zu Gesprächen. Sie fragen, weshalb wir von Chemnitz nach Dresden wandern. Wir erkundigen uns danach, wie es ist, im Dorf zu leben und ob es hier genügend Arbeit gibt. Gelegenheit auch, um sich danach zu erkundigen, wie es zur Auszeichnung gekommen sei. Jetzt wird klar, weshalb das Dorf schon mehrfach prämiert wurde.
Rainer Weigand, Dorfvorsteher von Kirchbach, kann stolz sein. 1995 nahm die Bevölkerung in die Dorfsatzung die Bestimmung auf, wonach der Bau neuer Einfamilienhäuser in Kirchbach nicht gestattet wird. Vorhandener Raum, insbesondere Dreiseitenhöfe, mit Wohnhaus, Scheune und Heuboden müssen alle neu genutzt werden, bevor der Bau von Einfamilienhäusern genehmigt würde.
Kirchbach war lange Zeit ein reines Bauerndorf. Die ursprüngliche Siedlungsstruktur und die bäuerliche Prägung sind bis heute erhalten geblieben, auch wenn nur noch wenige Einwohner in der Landwirtschaft beschäftigt sind. Weil die Bedeutung der Landwirtschaft zurückgegangen war, sollten ungenutzte Hausteile für Wohnzwecke genutzt werden. Kirchbachs Bevölkerung mit 226 Einwohnerinnen und Einwohnern ist nicht kleiner geworden, im Gegenteil, neue Menschen sind zugezogen, weil die Gemeinde ihre Ruhe und ihr unverfälschtes ländliches Gesicht nicht verloren hat. Kirchbach hat mit seiner nachhaltigen Baupolitik unter der Devise „Neues Leben in alten Räumen“ deutsche und europäische Auszeichnungen gewonnen. Die Umnutzung vorhandener Räume, der freiwillig erfolgte Beschluss, auf neue Einfamilienhäuser zu verzichten bis die vorhandenen Bauten besser genutzt werden, hat dem Dorf nicht geschadet. Ganz im Gegenteil. Das Dorf Kirchbach zeigt, dass Nachhaltigkeit im Bereich der Dorf- und Landschaftsplanung möglich ist.
Text und Foto: Michael Guggenheimer