Talsperre

Talsperre

Talsperre. Kein Schweizer würde dieses Wort verwenden. Das sind die feinen Unterschiede innerhalb derselben Sprache. Staudamm. Stausee, Staumauer. Dies Ausdrücke sind mir vertraut.

Staumauer

Wir sind unterwegs zur ersten Begegnung, eine Lokal­chronistin erwartet uns im Dorf Euba. Der Weg steigt leicht an, wir sind in einem Natur­schutz­gebiet. Noch bevor wir bei der Lokal­historikerin ankommen, begegnet uns ein älterer Herr. Er hat eine Plastik­tüte in der Hand, er bleibt stehen und zeigt uns seine Beute: Pilze, wenn auch nicht viele, weil der Sommer zu trocken war. Wir gehen weiter hang­auf­wärts, links liegt ver­steckt der kleine Eibsee. Hinter viel Geäst ist etwas weiter eine Senke zu sehen und dann eine Stau­mauer, nicht in Beton. Die Mauer besteht aus Gesteinen, die aus einem benach­barten Stein­bruch stammen, wo als Folge der Arbeit am Stein­bruch der Eibsee ent­standen ist. In der Stau­fläche ist kein Wasser zu sehen, Tafeln weisen darauf­hin, dass es strengs­tens unter­sagt ist, die Stau­mauer und den Bereich des Stau­sees zu betreten. Wenige Meter neben dem ver­schlos­senen Tor ist der Zaun offen. Die vielen Pflanzen im Stau­be­reich zeigen deutlich an, dass hier schon lange kein Wasser gestaut wird. Erste Fotos. Weiter geht es zur Historikerin Julia Fromme. Eine schwarz­gekleidete Dame, die die Geschichte der Ort­schaft aus allen Perspektiven erläutern kann. Ich weiss nicht mehr, wer die ersten Besiedler der Gegend waren, ich habe die Entstehungs­geschichte des Dorfs wieder vergessen. Geblieben ist mir das Wort Talsperre und die Geschichte dieses Stausees. Hier wurde kein Trinkwasser gestaut, hier wurde auch keine Elektrizität mit Wasserkraft gewonnen: Die Talsperre wurde kurz vor dem Ersten Weltkrieg zur Wasserversorgung der Dampflokomotiven im weiter unten im Tal liegenden Rangierbahnhof Chemnitz Hilbersdorf sowie für die dortige Reperaturwerkstätte der Reichsbahn gebaut. Bis in den 70er Jahren durfte man hier noch baden. Nach starken Regenfällen sei der Stausee im Jahr 2013 voll gewesen. Als man die Luken öffnen wollte, um den Wasserpegel zu senken, seien die Durchlässe so verrostet gewesen, dass man sie nicht habe öffnen können, erzählt Historikerin Fromme. Weil die Staumauer an manchen Stellen brüchig sei, werde hier kein Wasser mehr gesammelt.
Der 2008 gegründete Verein „Rettet die Talsperre Euba! e.V.“ hat sich zum Ziel gesetzt, die vernach­lässigte und bröckelnde Talsperre vor dem Verfall zu retten und der Öffentlichkeit wieder als Erholungs­anlage zur Verfügung zu stellen. Was das Ganze mit unserem Thema Nach­haltig­keit zu tun hat? Man könnte die Tal­sperre abreissen. Man könnte sie verfallen lassen. Aber man könnte sie einer neuen Nutzung zuführen. Im Sommer 2011 war das Grund­stück auf dem sich die Talsperre befindet von der Stadt Chemnitz zum Verkauf aus­ge­schrieben. Ende 2012 einigte sich die Stadt mit dem Investor DC-Entertain­ment, der bereits das Natur­bad in Nieder­wiesa betreibt. Ja, man könnte hier ein attrak­tives stadt­nahes Naturbad einrichten.

Text & Titelfoto: Michael Guggenheimer
Foto: Leonie Rhode