Am Stadtrand. Die Übergänge zwischen Stadt und Land können manchmal so fliessend sein, dass man unsicher wird, ob man noch in der Stadt oder bereits auf dem Land ist. Zum Beispiel bei Heike Janthur, die unsere Exkursionsgruppe am Nachmittag des ersten Wandertages besucht.
Man geht auf das Haus zu, in dem sie und ihr Lebenspartner Andreas Madreiter leben, sieht ein Einfamilienhaus, das sich von den Nachbarhäusern unterscheidet. Madreiter ist Architekt, er hat das Haus entworfen, es ist ein Passivhaus. Grosse Sonnensegel spenden an warmen Tagen Schatten, die Einrichtung wirkt urban. Neben dem Haus Bienenhäuser, man kommt ins Zählen und gibt es auf, so viele sind es. Heike Janthur ist beruflich im kaufmännischen Bereich tätig, dort verdient sie ihr Geld. Ihre Leidenschaft gilt der Natur, sie betreibt einen kleinen landwirtschaftlichen Hof in Chemnitz-Euba.
Die Imkerei begann mit drei Bienenvölkern, als sich ihr damals schulpflichtiger Sohn für Bienen interessierte. Mittlerweile sind es fast sechzig Völker und eine intensive Beschäftigung, bei der ihre 80-jährige Mutter und die Familie mithilft. So viel Honig wird hier produziert, dass Heike Janthur diesen auf Märkten verkaufen kann. Breit ist das Angebot – von Rapshonig über Lindenhonig bis zu Buchweizenhonig. „Wir gehören mit unserem kleinen Familienbetrieb dem Höfeverband der Nutztierarchen an, deren Ziel die Bewahrung und Haltung seltener oder vom Aussterben bedrohter Nutztierrassen ist.
Neben der Bienenhaltung ist die Zucht von Sundheimer Hühnern, Wachteln und Soay-Wildschafen unsere Leidenschaft. Außerdem unterhalten wir einen Permakulturgarten, dessen Früchte bei uns in Handarbeit zu Spezialitäten verarbeitet werden. Für die Vielfalt an Honigsorten fahren unsere Bienenvölker zu Trachtquellen an mehrere Gegenden Sachsens und Brandenburgs. Zur Erhaltung der Bienengesundheit beschränke ich mich auf biotechnische Massnahmen und den Einsatz von organischen Säuren“, erzählt Heike Janthur, die regelmässig Kindergartenkinder und Schulklassen in ihrem Hof zu Gast hat, denen sie die Welt der Bienen und der Honiggewinnung näherbringt. 8000 Quadratmeter gross ist das Areal ihres Hofs, das auf den ersten Blick nicht verrät, dass hier auch Schafe und Hühner leben. Wenn sie sehe, wie Menschen Lebensmittel wegschmeissen, täte ihr das weh. „Bei uns gibt es keinen Abfall, der nicht wiederverwertet wird“, sagt sie, künstlichen Dünger gebe es auf ihrem Hof nicht.
Ich gebe zu, dass ich als Städter den Ausdruck Permakultur zwar auch schon gehört habe, ihm aber noch nie nachgegangen bin. Deshalb muss ich nachschauen, mich kundig machen. „Bei der Anwendung von Permakultur ist es unabdingbar, sorgsam mit der Erde und ihren Ressourcen umzugehen. „Permakultur“, lese ich im Netz weiter, „im eigentlichen Sinn bezieht sich nicht nur auf das Gärtnern und die Landwirtschaft, sondern strebt eine regionale und völlig selbst erwirtschaftete Versorgung durch Nahrungsmittel an. Dabei sollen vorhandene Ressourcen effizient genutzt, der Energieverbrauch gesenkt und der Verbrauch von Konsumgütern reduziert werden“. Dem Begriff muss ich noch weiter nachgehen. Dazu reicht die Zeit am Wandertag nicht, das wird später erfolgen, denn unsere Wandergruppe zieht weiter. Was nachhaltig sei an ihrer Arbeitsweise, frage ich meine Mitwanderer? Eben diese Haltung sowie die Weitergabe ihres Wissens über die Natur an junge Menschen, bekomme ich zur Antwort.
Am späten Nachmittag erreichen wir noch den Ort Falkenau und besuchen ULF – dahinter verbrigt sich Unser Laden Falkenau. Vor zehn Jahren gründete sich eine kleine Genossenschaft zum Betrieb eines Ladens – die einzige Einkaufsmöglichkeit in dem Ort.
Text: Michael Guggenheimer
Fotos: Caren Marusch-Krohn (1); Leonie Rhode (2); Bertram Weisshaar (3, 5, 6); Michael Guggenheimer (4)